Giosue Carducci

1835 – 1907           Italien

 

In Übersetzungen von

Anton Wildgans

 

 

Der Ochse

 

Dich lieb ich, frommes Tier! Dein sanftes Bild

Strömt Kraft und Ruhe meinem Herzen ein.

O feierlich, ein Denkmal, wie aus Stein,

Stehst du und schaust in’s fruchtbare Gefild.

 

Wie beugst du dich dem Joch gefaßt und mild,

Gewandter Menschen schwerer Knecht zu sein!

Sie schlagen, schelten dich, doch alle Pein

Stört deinen Gang nicht, macht den Blick nicht wild.

 

Aus deinen Nüstern, dunkel, feucht und breit,

Wölkt Atems Dampf, wie Aufgebot zum Tanz

Jauchzt dein Gebrüll, in klare Luft befreit.

 

Und in der Augen herbem, süßem Glanz

Spiegelt die Welt sich ruhig, ernst und weit:

Göttlicher Frieden ebnen grünen Lands.

 

 

Schweigen der Nacht

 

O tiefe Nacht, die weit und einsam blaut,

Sichtbarer Schlaf du der erschaffnen Welten

Auf öden Höhn, wo böse Wetter schelten,

Und auf der erde, die der Mensch bebaut –

 

Und Schatten ihr, von keuschem Licht betaut,

Und Himmel du mit glitzernden Gezelten,

Formen des Lichts, die unserm Schicksal gelten,

Ihr, allen Wesen mystisch angetraut –

 

Und du auch, Pilgrim silberner Gefilde,

Der seiner Strahlen klares, bares erz

Auf jede Brust legt mit der selben Milde –

 

O sagt, was soll dies Sehnen rätselwärts

Uns arme Gilde irdischer Gebilde?! –

Doch ihr bleibt ohne Regung, ohne Herz.

 

 

Der Schatten

 

Ich bin nicht einer, der bei Freundesmahlen,

Im Rausch des Weines Lust und Kurzweil sucht;

Mir lebt ein starrer Geist in harter Zucht,

Und meine Stunden sind voll Ekelsqualen.

 

Der Zorn nur stärkt mein Herz aus bittern Schalen,

Zum Flammentod in eigner Glut verflucht;

O meiner Hoffnungsjahre grüne Bucht,

Wie sah ich all dein Blühen früh verfahlen!

 

Selbst der Gedanken rege Schöpferkraft

Ist mir zur Zeit versiegt, und stumm belauern

Die leeren Tage mich gespensterhaft.

 

Nur einen Schatten fühl ich mich umtrauern;

Der ist voraus auf dunkle Wanderschaft

Und ruft mich nieder zu den kühlen Schauern.

 

 

Wilde Fahrt

 

Es keucht mein einsam Schiff, gepeitschter Flanken!

Die Möwen schrein. Mit brausendem Gewicht

Rammt uns die Flut, und wie zum Weltgericht

Heult Donner auf und schmettern Blitzes Pranken.

 

Zurück zum Land erinnernde Gedanken

wenden das tränenfeuchte Angesicht,

und Blick der Hoffnung, matt geworden, bricht

An Rudertrümmern und zerschellten Planken.

 

Doch mitten in der Elemente Schlacht,

Sie übertönend mit Gesanges Macht,

Ruft kühn von Bord der Genius meiner Dichtung:

 

Rudert, Verzweifelte, dieweil noch Zeit –

Zum Nebelhaften der Vergessenheit,

Zum weißen Klippenstrande der Vernichtung!